Henrik Ibsen: Rosmersholm, Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Berlin (Regie: Leander Haußmann)

Stell dir vor, Leander Haußmann kehrt ans Theater zurück und keiner geht hin. Nach acht Jahren inszeniert einer der wichtigsten Regisseure der 90er-Jahre wieder am Theater (von einem kleinen Projekt mit Sven Regener am bat-studiotheater vor zwei Jahren abgesehen) und dann steht sein Ensemble gähnender Leere gegenüber – so geschehen am vergangenen Sonntag, als sich ein paar Dutzend Zuschauer im Großen Saal der Volksbühne verloren. Ein sinniges Bild, denn so leer wie der Zuschauerraum ist auch Haußmanns Inszenierung von Rosmersholm – leer von Inhalten, Ideen, jeglicher Konzeption. Haußmann war der große Klassiker-Auffrischer der 1990er, der mit viel Dynamik und einer gehörigen Prise Pop den Staub von den großen Stoffen der Theatergeschichte fegte und dessen gegen den Strich gebürstete Stücke plötzlich frisch, klar und heutig erstrahlten. Er war kein Stückevermischer, -sezierer und Durch-den-Fleischwolf-Dreher wie Frank Castorf, seine Vergegenwärtigung geschah immer nah am Stück, und zielte immer darauf ab, die Stoffe selbst freizulegen und für das Publikum zugänglich zu machen. Jetzt inszeniert er ausgerechnet an Castorf Volksbühne und das Ergebnis ist ein bleischwerer, ideenloser und erschreckend langweiliger Abend, der jeglicher Regiearbeit entbehrt.

Uli Hanisch hat Haußmann eine schwere, dunkle Biedermeier-Garnitur hingestellt, die in ihrer miefigen Altbackenheit gut zur Inszenierung passt. Das wichtigste Element ist das Sofa. Hier sitzen die Protagonisten die meiste Zeit und reden. Weniger miteinander als vor sich hin. Das Nebeneinandersitzen auf dem Sofa ist ein treffendes Sinnbild der Dynamik dieses Abends. Hier wird Ibsen ausgesessen, quälend lang und monoton. Später fällt ein Vorhang und gibt den Blick frei auf eine mäandernde Treppenflucht, die schließlich ins Nichts führt. Ein Symbol für die Ziel- und Ausweglosigkeit der Protagonisten? Vielleicht, angesichts der ewig herumsitzenden Darsteller, verpufft diese angedeutete Symbolik schnell. Es bleibt ein schönes Bild, das nichts bedeutet.

Rosmersholm gehört nicht ganz ohne Grund nicht zu Ibsens meistgespielten Stücken. Zurecht suspekt sind vielen heute das Pathos und die Ernsthaftigkeit, mit denen hier Weltverbesserungs- und Menschheitserweckungsideologien diskutiert und deklamiert werden. Das klingt heute hohl vor dem Hintergrund der Heilsversprechen des 20. Jahrhunderts – und ihrer Folge. Einen interpretatorischen Ansatz bietet das jedoch allemal: Man könnte die Verlogenheit, ja selbst die Unmenschlichkeit, die jeder Versuch, die Menschheit umerziehen zu wollen, offenlegen, die aus dem schweren Ideologiedrama eine Farce machen oder die leeren Phrasen und die Lebensverweigerung der Hauptfiguren zur Karikatur nutzen. Und das Stück bietet noch mehr: In ihm stecken eine Beziehungstragödie und ein psychologisches Drama, ein veritabler Thriller und ein Gruselmärchen. All das ist Stoff für einen Regisseur, der willens ist, Rosmersholm nicht museal zu inszenieren.

Nichts davon versucht Haußmann. hin und wieder scheint mal ein bisschen Karikatur und Satire auf, in einer übertriebenen Geste oder besonders geschwollenem Gerede. Haußmann lässt all diese Gelegenheiten vorbeiziehen, wenn mal so etwas wie ein Regieeinfall auftaucht, ist er zumeist von erschreckender Banalität, ja Peinlichkeit, etwa wenn Rebekka (Annika Kuhl) ihre inneren Dämonen im Still von der Exorzist präsentieren darf. Das ist schnell hingeworfen und ebenso schnell vergessen. Haußmann scheint das nicht wirklich zu interessieren, wichtiger ist ihm, seine Sammlung von Leonard-Cohen-Platten durchzuspielen. Auch ihr Einsatz ist von ermüdender Schlichtheit: zu Dance Me to the End of Love tanzt Kroll mit Rebekka, in der Schlussszene erklingt I Tried to Leave You.

Wenn etwas den Abend erträglich machen könnte, dann das Ensemble, aber auch das enttäuscht weigehend. Peter Lohmeyer ist so darauf bedacht, Ibsens Wort vom Mann, der niemals lacht, zu befolgen, dass er auf jeglichen Ausdruck verzichtet. Ralf Dittrichs Kroll ist polternder Politiker, Uwe Dag Berlins Ulrik eine völlig überzogene Comic-Figur und Axel Wandtke als Mortensgard aasiger Opportunist. Annika Kuhl versucht ihrer Rebekka wenigstens etwas wie Komplexität zu verleihen, doch zumeist bleibt auch ihr nichts als am allgemeinen Rezitierwettbewerb teilzunehmen. Einzig in Margit Carstensens Gesicht deuten sich die Abgründe menschlicher Seele an, von denen Ibsen eben auch erzählt, dieser Morast aus Ehrgeiz, Verdrängung, Verzweiflung und Abhängigkeit, der Freud an diesem Stoff interessierte.

Und so bleiben am Ende kurze Bilder: der langsame Aufstieg der beiden Hauptfiguren ins Nichts, mit dem der Abend endet oder das erschütternde Bild der Einsamkeit direkt vor der Pause: Lohmeyers Rosmer stapft verloren die Treppe hinaus, während Kuhls Rebekka ratlos auf der Bühne hin- und hergeht. Für gut drei Stunden ist das etwas wenig.

4 Kommentare

  1. man darf auch die Volksbühne von Köln nicht vergessen.
    Hier mal mein Blog für die Infos:

    http://www.giniswelt.blogspot.de

    da wird einem nicht langweilig!!!

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