Theatertreffen 2023 – William Shakespeare: Hamlet, Anhaltisches Theater Dessau (Regie: Philipp Preuss)
Von Sascha Krieger
„Die Zeit ist aus den Fugen“: Es ist der erste Satz von Philipp Preuss‘ Hamlet-Adaption und auch so etwas wie das Motto des Abends. Denn dass etwas mit der Zeit nicht stimmt, bemerkt das Publikum bereits beim Einlass. Da sitzen zwei in schwarz-gold glitzernden Oberteilen bekleidete Männer an einem weißgedeckten Tisch, und wiederholen roboterhaft das Wort „oder“ – ein Schlüsselwort aus dem vermutlich berühmtesten Monolog der Theatergeschichte, während im Hintergrund das Gelage des frischvermählten Königs über den Eisernen Vorhang flimmert und dabei immer wieder in die Zeitlupe kippt (Video: Konny Keller). Hier biegt sich das Raum-Zeit-Kontinuum schon zu Beginn zu einem sich selbst in den narrativen Schwanz Beißen. Geht der Vorhang hoch, wird aus dem Tischchen plötzlich eine ewig lange, durch Spiegelwand noch verdoppelte Tafel (Bühne: Ramallah Sara Aubrecht). Wo sich Sprache, Charaktere – die beiden Darstellenden an der Rampe geben gemeinsam, getrennt den Hamlet – und Zeit doppeln, tut dies auch der Raum. Das „Oder“ ist ein „Und“, ein „Sowohl als auch“, ein „Egal“. Wo der Raum endet, beginnt er aufs Neue, so wie es auch die Zeit tut.
