Mit Pauken und Trompeten

Weihnachtskonzert des Royal Concertgebouw Orchestra Amsterdam mit Bachs Weihnachtsoratorium

Von Sascha Krieger

Weihnachten ist die Zeit, zu der Orchestermusiker ein paar freie Tage genießen können. Nicht viele, schließlich wollen die Konzerte zum Jahreswechsel vorbereitet sein. Nicht so in Amsterdam: Was für andere Klangkörper das Silvester- oder Neujahrskonzert, ist für das Royal Concertgebouuw Orchestra die Weihnachtsmatinee am 1. Feiertag. Dabei steht beileibe nicht nur Weihnachtliches auf dem Programm, im vergangenen Jahr etwa gab es Mahlers 4. Symphonie. Das diesjährige Konzert ist wirklich eine Ausnahme, hat das Orchester doch zum ersten Mal sein Jahrzehnten Johann Sebastian Bachs Weihnachtsoratorium auf dem Programm, genauer gesagt dessen erste drei Teile. Damit es nicht zu weihnachtlich wird, lässt Dirigent Jan Willem de Vriend das werk denn auch nicht mit dem berühmten Freudenruf „Jauchzet! Frohlocket“ beginnen. Stattdessen singt der Chor der Cappella Amsterdam „Tönet ihr Pauken! Erschallet, Trompeten!“, die ersten Worte der dem ersten Stück zugrunde liegenden weltlichen Kantate. Hier soll es also nicht um den Lobpreis des Herrn gehen, sondern ganz um die Musik. Keine schlechte Idee.

Das Concertgebouw Amsterdam (Foto: Sascha Krieger)
Das Concertgebouw Amsterdam (Foto: Sascha Krieger)

Dabei erweist sich de Vriend nicht als Dogmatiker. Weder frönt er der früher üblichen Opulenz, noch ist die asketische Reduktion der historisch-informierten Aufführungspraxis seine Sache. De Vriends Bestreben ist, der Musik Raum zu geben, sie fließen zu lassen, so natürlich, wie es nur geht. Der Orchester klang ist kräftig und schlank zugleich, höchst transparent und doch bar jeder Strenge. Die Höhepunkte hat man sicher schon strahlender gehört, auch vermeidet das Orchester jegliche Dramatik und doch kann die Selbstverständlichkeit, mit der es Bach spielt überzeugen. Es ist eine Leichtigkeit in dieser Musik, die das Jauchzen und Frohlocken nicht braucht, um Freude zu verströmen. Die Gesangssolisten schließen sich an. Vor allem Altistin Elisabeth Kulman kann überzeugen: Warm und weich nimmt sie die innigen Arien und singt sie doch ohne jedes Pathos, als entstünden die Gedanken gerade im Moment. Der klare Tenor von Fabio Trümpy gibt den Rezitativen des Evangelisten eine Wärme, die sie selten haben. Sopranistin Judith van Wanroij und Bass Yorck Felix Speer stehen ihnen in nichts nach. So unangestrengt, harmonisch und voller Wärme wirkte selten ein Solistenquartett bei diesem Werk

Hier ist keine Anstrengung, fließt alles organisch ineinander. Und wenn auch wenig strahlt, so funkelt und glitzert die Musik doch wie ein wärmendes Kaminfeuer. Da stört es wenig, das der Chor etwas abfällt, zuweilen etwas unscharf wirkt, nur um gleich darauf ein wenig ins Schrille zu kippen. Über weite Strecken liefert auch er solides, sodass sich der Zuhörer an Bachs Musik erwärmen kann. Wie bei den Solisten, gibt es auch bei den Stücken keine „Stars“. Den Arien fehlt alles Spektakuläre, selbst ein Paradestück wie „Großer Herr, o starker König“ drängt sich nicht auf, Speer singt die Arie fast beiläufig, doch genau dadurch fügt sie sich so gut ins Ganze ein. Dies ist ein musikalischer Fluss, keine Nummernrevue. Den Rezitativen gebührt die gleiche Bedeutung wie den Arien, nur die Choräle verlieren zuweilen aufgrund der streckenweise zu verzeichnenden Ausdrucksschwäche des Chors. Kleine Schönheitsfehler, die eine der uneitelsten Interpretationen der Aufführungsgeschichte des Weihnachtsoratoriums nicht zu stören vermögen. Eine solche zu wagen – auch dies tun nur die allerbesten Orchester.

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