Theater als Klappentext

Hans-Werner Kroesinger und Regine Dura: Schwarze Ernte, Hebbel am Ufer (HAU3), Berlin (Regie: Hans-Werner Kroesinger)

Von Sascha Krieger

„Was, wenn das Öl etwas will?“ Wenn es ein Ziel verfolgt, womöglich gar die Vernichtung der Menschheit? Lajos Talamonti stellt diese Frage in den ersten Minuten von Hans-Werner Kroesinger und Regine Duras neuester Arbeit, die sich der Macht des Öls widmet – oder genauer der Position Saudi-Arabiens in der Welt, dem schwierigen Verhältnis des Westens zu dem diktatorisch beherrschten Wüstenstaat, seiner Bedeutung für den militanten Islamismus weltweit. Es ist ein überraschend philosophischer Einstieg, der zweite schon, nachdem eine Ruferin von der Brüstung die Geschichte beider Regionen – Europas und Arabiens – proklamierte und ominös raunte: „Arabien blieb unbekannt.“ Das Bemühen, dem oft spröden und trockenen Dokumentartheater der beiden einen theatraleren Anstrich zu geben, es einzubetten in einen sich an menschliche Grundmythen und -narrative anlehnenden Rahmen, ist dem Abend von Beginn an anzumerken. Und bleibt doch wenig mehr als Fassade. Denn die Eingangsfrage verfolgt er nicht weiter. Stattdessen tut er, womit sich Kroesinger und Dura stets am wohlsten fühlen: Er doziert Fakten, zitiert aus Dokumenten, präsentiert Recherche.

Bild: Sascha Krieger

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Das H in der Suppe

Hans-Werner Kroesinger & Regine Dura: HEIMAT reloaded, Hebbel am Ufer (HAU3), Berlin (Regie: Hans-Werner Kroesinger)

Von Sascha Krieger

Welch ein netter Empfang: Freundlich lächeln sie uns an, die drei Performer*innen, die das Publikum zu Hans-Werner Kroesinders neuem Abend begrüßen. Bettina Grahs hat sogar Blumen dabei. Wie nett! Da fühlt man sich doch gleich wohl, oder sollte man sagen: heimisch? Denn darum geht es ja, dafür steht das schöne rot leuchtende H, das die drei (später kommt noch einer dazu) dabeihaben. Heimat ist ein viel beschworener Begriff, den auch die Nazis nicht tot zu kriegen vermochten. Ganz im Gegenteil: So viel Heimat wie nach dem zweiten Weltkrieg war selten: Heimatfilme dominierten die Leinwand, Heimatvertriebene waren überall. Keine größere Ideologie, ob rechts, links oder irgendwo dazwischen kam (und kommt) ohne den Heimatbegriff aus. Klar: Das Gefühl dazuzugehören ist eine elementare Triebfeder menschlicher Existenz. Doch warum kommt eigentlich nur das (und der?) Deutsche nicht ohne diesen Begriff aus, der in anderen Sprachen so nicht existiert? Es ist eine der Fragen, die Kroesingers gerade mal 80-minütiger Abend anreißt – und schnell wieder liegen lässt. Viel Zeit ist nicht, spuckt doch der rote Buzzer auf der Bühne immer wieder neue Begriffe, Überschriften und Zitate aus, die bearbeitet werden wollen. Also hetzt man durch den Dschungel von Heimat-Ideen, ohne je viel mehr als einen flüchtigen Blick wagen zu können.

Bild: Sascha Krieger
Bild: Sascha Krieger

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