Theatertreffen 2024 – Roland Schimmelpfennig: Laios. ANTHROPOLIS II, Deutsches Schauspielhaus, Hamburg (Regie: Karin Beier)
Von Sascha Krieger
Hoch oben am Himmel schreit ein Vogel. Oder ist es eine Katze? Oder eine Frau? Oder gar die Sphinx? Und eigentlich schreit sie gar nicht da oben, sondern drin, im Kopf. Des Laios, der Thebener, der Erzählenden und irgendwie auch in unsere. „Hör auf!“, schreit die Stimme, Das hört nicht auf. Wann hört das auf?“ Das – das ist der Kreislauf der Gewalt, aus dem es kein Entrinnen gibt. Prophezeiungen, Schicksal, Angst, die Götter: Erklärungen, warum es „nicht aufhört“, gibt es viele, Erklärungen, die Rechtfertigungen sind, Ausreden, Zwang zur Wiederholung. Eine staubige Straße, immer wieder die gleiche. Menschen begegnen sich, tragische Verwicklungen nehmen ihren Lauf. Ein Kreislauf, kein Vorwärtskommen. Immer wieder die gleiche Straße, immer wieder die gleiche, hämmernde, schreiende Frage. Nichts davon ist zu sehen an diesem Abend auf Johannes Schütz fast leerer, nur von verschmierten Wänden eingerahmter Bühne. Blutverschmiert? Vielleicht, doch ist das Blut, so es welches ist, schwarz. Ein schwarz-weißer Tatort des Erinnerns, Erzählens, Erfindens. Denn all diese Gewalt, die Sphinx, die Straße, das Schlachten – es ist bloße Erzählung, Geschichte, Worte, die den Raum füllen, die ihn transformieren, die Straße erschaffen, die Figuren, den schmerz, die unerträgliche Frage.