Eugène Ionesco: Die Stühle, Burgtheater (Akademietheater), Wien (Regie: Claus Peymann, Leander Haußmann)
Von Sascha Krieger
Von „ontologischer Leere“ ist in den im für die Hartmann-Bergmann-Ära typischen umfangreichen Programmheft abgedruckten Originaldokumenten Eugène Ionescos des öfteren die Rede, wenn er auf sein Stück Die Stühle zu sprechen kommt. Eine Leere an Sinn, Hoffnung, Perspektive, für die das Werk ein perfektes Bild findet: die zahllosen leeren Stühle, die das alte Paar auf die Bühne trägt und die von unsichtbaren Gästen bevölkert werden, die gekommen sind, einer Rede zu lauschen, in der eine Vision der Weltrettung ausgebreitet werden soll, die sich am Ende als unverständliches Kauderwelsch und sinnfreie auf Wände gekritzelte Buchstabenkombinationen erweisen. Das wurde oft so gelesen: Nach der Shoah sind große Weltentwürfe obsolet und Rettungsfantasien bestenfalls hochgefährlich, die Abwesenheit des Mensch(lich)en die Norm, die grundsätzliche Sinnhaftigkeit des Lebens als nicht gegeben erwiesen. Wo eins Sinn und Ziel und Hoffnung herrschten, ist jetzt: Leere. Eine „tragische Farce“ nannte Ionesco sein Stück, die Lächerlichkeit des abgebildeten Unterfangens weisend auf einen tragischen Grund, die Anerkennung der Bedeutungslosigkeit all unseren ach so wesentlichen Strebens. Wo Ionescos Zeitgenosse Samuel Beckett direkt in die Leere menschlicher Existenz eintauchte, suchte der gebürtige Rumäne die Absurdität menschlicher Alltagshandlungen und Routinen gesellschaftlichen Umgangs in einer Welt, in der diesen jegliche Bedeutung abhanden gekommen ist.